Sehr geehrte Frau Baehrens, MdB
sehr geehrter Herr Färber, MdB
als Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Geislingen wende ich mich heute im Namen des Landesjugendrings Baden-Württemberg, des Stadtjugendrings Geislingen und dessen rund 40 Mitgliedsverbände an sie.
Gemeinsam mit vielen Organisationen der Kinder und Jugendarbeit, weiteren Landes-, Kreis-, Stadt- und Ortsjugendringen und dem Deutschen Bundesjugendring bitten wir Sie, sich bei den anstehenden Beratungen zur Novellierung des SGB VIII gegen die Aufnahme des neuen Paragrafen 48b in das SGB VIII auszusprechen und gegen seine Aufnahme zu stimmen.
Das Ziel der Bundesregierung, mit dem Paragraf 48b den Schutz der Kinder und Jugendlichen zu erhöhen, wird deutlich verfehlt!
Nach dem Entwurf für das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz als Teil der SGB-VIII-Reform sollen zukünftig ALLE EINRICHTUNGEN der offenen Kinder- und Jugendarbeit der Meldepflicht unterliegen, wie sie bisher beispielsweise nur für Kitas und stationäre Einrichtungen gilt.
Um die Meldepflicht zu erfüllen, müssten alle Einrichtungen einen hohen bürokratischen Aufwand auf sich nehmen, indem sie umfangreiche Daten zusammenstellen und melden, die mindestens bei geförderten Einrichtungen dem Jugendamt bereits bekannt sind.
Wer diesen Pflichten nicht nachkommt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. In vielen Fällen, vor allem bei selbstorganisierten Treffs, ist unklar, wer der Träger im Sinne des Gesetzes ist und damit die Meldepflicht hat. Diejenigen, die für solche Treffs Räume zur Verfügung stellen, zum Beispiel kreisangehörige Gemeinden, Kirchengemeinden, Erwachsenenorganisationen etc. könnten die Gefahr sehen, dass es sie betrifft. Und sie werden wohl sehr genau prüfen, ob sie weiter Räume zur Verfügung stellen.
Ähnliches gilt für (junge) Menschen, die sich ehrenamtlich und oft spontan in solchen Treffs engagieren und Verantwortung übernehmen. Sie könnten eine Ordnungswidrigkeit begehen, ohne es zu wissen. Oder eben wegen dieses hohen Risikos sehr genau überlegen, ob sie sich engagieren. Beides gefährdet faktisch die selbstorganisierten Einrichtungen.
Das Engagement im Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt ist ein unverzichtbares Element unseres Selbstverständnisses als Jugendverbände und -ringe. Die Auseinandersetzung mit dem Problem der Kindeswohlgefährdung in unserer Gesellschaft gehört dazu. Gefährdungen durch sexuelle Übergriffe, die Kindern und Jugendlichen auch in der Kinder- und Jugendarbeit beziehungsweise in ihren Strukturen widerfahren können, sind für uns unmittelbar handlungsrelevant. Bereits seit vielen Jahren setzen wir uns deswegen mit dem Thema Prävention sexualisierter Gewalt auseinander.
Aktive Präventionsarbeit kann nicht nebenbei gemacht werden. Um den Anforderungen gerecht zu werden, müssen entsprechende Ressourcen und Unterstützung zur Verfügung gestellt werden.
Der Paragraf 48b bedeutet stattdessen für die Kinder- und Jugendarbeit sehr viel Aufwand und bringt tatsächlich keinen Schutz, er wirft den Kinder- und Jugendschutz sogar zurück. Statt Prävention bringt der Paragraf 48b Bürokratie. Wir befürchten deshalb eine erhebliche Erschwernis ehrenamtlichen Engagements, die Verhinderung selbstorganisierter Jugendarbeit und die Zerstörung von Freiräumen von jungen Menschen.
Deshalb nochmals die Bitte an Sie: Stimmen sie im Bundestag gegen den Paragrafen 48b!
Anbei finden sie eine ausführliche Argumentation des DBJR, mit der Bitte dies zu berücksichtigen!
2017-DBJR-Argumente-SGBIII
Mit freundlichen Grüßen
Holger Schrag
1. Vorsitzender Stadtjugendring Geislingen e.V.
Verteiler per E-Mail:
* Heike Baehrens, MdB
* Hermann Färber, MdB
* OBM Frank Dehmer
* Margit Schrag, FB5
* Jonica Sperling; FB5
* Klaus Nickel, FB5
* Alexandra Ruoss, FB5
* Landesjugendring Baden-Württemberg
* Kreisjugendring Göppingen e.V.
* Stadtjugendring Geislingen e.V.
* Lothar Hilger, Kreisjugendamt
* Volker Landskron, Kreisjugendreferent
* Geislinger Zeitung, Redaktion
* Geislinger Zeitung, Michael Rahnefeld
* Filstalexpress
* NWZ, Redaktion
* Homepage SJR Geislingen
Stellungnahme von Heike Baehrens am 18. April:
Vielen Dank für diese eindringliche Stellungnahme. Der genannte Gesetzentwurf wird auf jeden Fall im Parlament intensiv beraten werden. Dabei werden wir sowohl den Paragraph 48b als auch andere kritische Punkte prüfen. Ebenso wird es noch eine ausführliche öffentliche Expertenanhörung zum Gesetzentwurf geben, wo alle relevanten Jugend- und Fachverbände Stellung nehmen werden und Änderungsvorschläge einbringen können. Von daher bin ich zuversichtlich, dass es noch wesentliche Änderungen geben wird, bis es zu einer abschließenden Beratung im Bundestag kommt. Aber ich werde darauf achten, dass der notwendige Schutz von Kindern und Jugendlichen nicht durch unnötige Bürokratie überfrachtet wird.
via Facebook: https://www.facebook.com/sjrgeislingen/posts/10154386419636120?comment_id=10154386495051120&comment_tracking=%7B%22tn%22%3A%22R%22%7D
Stellungnahme von Hermann Färber via E-Mail am 25. April:
Sehr geehrter Herr Schrag,
vielen Dank für Ihre E-Mail. Als Vater von fünf Kindern ist mir sehr bewusst, wie wichtig Jugendarbeit ist. In den unterschiedlichsten Formen trägt sie zur Förderung sozialer Kompetenz bei, gibt Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, sich zu entfalten und zu entwickeln oder auch manchmal einfach nur den Raum, ungestört von Erwachsenen „unter sich“ sein zu können, wie beispielsweise bei vielen privat organisierten Jugendtreffs im Landkreis. Diese Arbeit, die ohne das Engagement vieler ehrenamtlicher und freiwilliger Helfer gar nicht möglich wäre, erfordert Anerkennung und Unterstützung – keinesfalls aber unnötige zusätzliche Belastungen und Beschränkungen.
Mit dem Gesetzentwurf für eine Reform des Kinder- und Jugendhilfegesetztes (SGB VIII) sollen Kinder und Jugendliche in Einrichtungen besser geschützt und mögliche Schutzlücken in Jugendclubs und Jugendfreizeitheimen geschlossen werden. Der vorliegende Entwurf, der unter anderem eine Ergänzung des Paragraphen 48b im SGB VIII und damit eingehend eine Meldepflicht für alle Einrichtungen der Jugendarbeit vorsieht, ist ein Kabinettsbeschluss, der nun in den einzelnen Ausschüssen des Deutschen Bundestages debattiert und auf Umsetzungstauglichkeit geprüft werden wird. Im Zuge der Beratungen wird es auch eine öffentliche Anhörung geben, in der Fachleute und Betroffene zu Wort kommen werden, deren Argumente dann in die weiteren Beratungen und mögliche Änderungen des Gesetzestextes einfließen.
Ihre Einwände, die ich vollumfänglich teile, werde ich gerne weitergeben.
Mit freundlichen Grüßen
Hermann Färber, MdB
Artikel zur Aktion in der Stuttgarter Zeitung:
Konzertierte Aktion der Jugendverbände
Dagegen laufen Jugendverbände von den Stadtjugendringen über die Landesverbände bis zum Bundesjugendring Sturm. Jürgen Dorn, der Geschäftsführer des Landesjugendrings hat etwa an den CDU-Fraktionschef und Tuttlinger Abgeordneten Volker Kauder appelliert, sich gegen den neuen Paragrafen auszusprechen, der Stadtjugendring Geislingen e.V. hat seine Bundestagsabgeordneten angeschrieben und ist auf positive Resonanz gestoßen. Die konzertierte Aktion der Jugendverbände zieht sich durch die ganze Republik. [..]
http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.verbaende-protestieren-buerokratie-bedroht-engagement-von-jugendlichen.a7a4c4f2-f611-46d0-8645-d919fb3be9c2.html